Ladenschlussgesetz komplett abschaffen
Ich bin für die komplette Abschaffung der Ladenschlussgesetze – inklusive Grundgesetzänderung zur Sonntagsöffnung. Ohne Wenn und Aber!
Diese Forderung kann gerne als radikal eingestuft werden. Aber es ist nichts, was nicht auch schon in einigen Ländern dieser Erde praktiziert wird. Egal ob ich nach Osten (Polen, Tschechien) oder nach Westen (Portugal, Irland) schaue. Finnland hat es 2016 geschafft. England ist weit liberaler, Schottland erst recht. Warum nicht auch hier?
Der Wunsch, auch Sonntags einkaufen, ist ungebrochen. Wir kennen es vielleicht selbst aus dem Urlaub, wo wir uns keine Gedanken machen müssen, welcher Tag der Woche angebrochen ist, wir haben ja Urlaub. Umgekehrt waren einige Untermieter in meiner früheren WG verwundert, dass sie nicht einfach Sonntags in die Läden rennen können. Nun gibt es Online-Handel und viele Menschen schließen gerne vor allem dann Kaufverträge ab, wenn sie selbst Zeit haben.
Nun gibt es aber auch in Deutschland schon Läden, die völlig legal Sonntags öffnen dürfen. Konkret sind das:
- Auf Fernbahnhöfen von Eisenbahnen und Magnetschwebebahnen
- Auf Flughäfen und in Fährhäfen
- In Kur- und Erholungsorte mit besonders starkem Fremdenverkehr
(Ja, Magnetschwebebahn. Unser Ladenschlussgesetz ist in Details fortschrittlicher als die Infrastruktur)
Es ist sicherlich kein Geheimnis, dass diese Ausnahmen nicht nur von Reisenden bzw. Touristen in Anspruch genommen werden. Wer einmal Sonntags den Lidl am Bahnhof Neustadt in Dresden besucht, wird dort vermutlich die Reisenden suchen wie die Nadel im Heuhaufen. Oder anders: in den engen Gängen des brechend vollen Ladens passen die gar nicht mehr rein. So ähnlich ist es auch am Berliner Südkreuz oder am Hamburger Hauptbahnhof. Nutznießer dieser Regelung ist, vom Konsumenten abgesehen, vor allem die Deutsche Bahn. Denn sie kann den Lebensmittelhändlern Geschäftsflächen anbieten – mit dem exklusiven Recht auf Sonntagsöffnung!
Ein Wegfall dieses Ladenschlusses heißt nicht automatisch, dass alle Läden diesen Rahmen auch ausnutzen. Das würde sich schon rein wirtschaftlich für die meisten Läden kaum lohnen. Obwohl vor allem in den nordischen Bundesländern – neben dem Sonntagsverbot – keine weiteren Restriktionen bestehen, so gibt es kaum einen Laden, der die erlaubte Zeit voll ausschöpft. In Berlin gibt es an wenigen, vor allem auch durch Nachtschwärmer frequentierten Punkten Kaufhallen. Die berühmteste Institution ist der Kaisers (nun Rewe) an der Warschauer Straße. In Hamburg kenne ich keinen. In Bremen gab es von 2007 bis 2010 die wohl berühmteste Kaufhalle Deutschlands mit 24/6.
Eng verbunden ist dabei aber auch die Frage der Sonntagsarbeit, geregelt im Arbeitszeitgesetz. Gegenwärtig gibt es da fest definierte Ausnahmen, zu denen eine Person Sonntags beschäftigt werden darf. Zur Öffnung eines Ladens benötigt es eben auch Personal, dass arbeiten darf. Andernfalls würde es nur die französische Lösung geben, bei der lediglich der Inhaber seinen Laden 24/7 selbst betreiben darf – der klassische Späti.
Diesen Zahn gilt es dabei zu ziehen, wobei es in dem Zusammenhang auch gilt, den Passus zum Ausgleich von Sonntagsarbeit zu stärken. Beispielsweise in einer Form, dass jeder das Recht hat, konsequenzlos Sonntagsarbeit abzulehnen (und Arbeitgeber dann im Zweifel den Zwang haben, diese mit zusätzlicher Entlohnung zu stimulieren)
Um einigen Gegenargumenten vorzubeugen:
- 1. Argument: Wegfall des Ladenschlussgesetzes würde Soziale Kohäsion gerade im familiären Umfeld schwächen. Ja, das kann passieren. Trotzdem sind wir alle Individuen mit unterschiedlichen Präferenzen. Jemand in Fernbeziehung könnte sich gar freuen, jeden zweiten Sonntag zu arbeiten, um das jeweils andere Wochenende zu strecken. Oder ein Partner hat bereits einen Job, bei dem Sonntagsarbeit nötig ist. Sprich: Es ist Chance und Risiko zugleich.
- 2. Argument: Kommerzfreien Zeiten und Räumen werden kleiner. An den Räumen ändert sich nichts. Aber an Orten, in denen baurechtlich der Betrieb von Kaufhallen möglich ist, wäre er dann eben auch 24/7 möglich.
- 3. Argument: Früher ging es auch mit noch kürzeren Öffnungszeiten. Früher ging es auch ohne Internet und Farbfernsehen.
- 4. Argument: Die Gewerkschaften lehnen das ab. Das stimmt, ver.di kämpft dagegen an. Und? Positionierung von Gewerkschaften müssen nicht immer einher gehen, was für ihre zu vertretenden Menschen das beste ist. Bestes Beispiel ist ihre ablehnende Haltung zum Grundeinkommen. Es wäre aber hilfreich, wenn Gewerkschaften nicht in Blockade verfallen, sondern an der Gestaltung der Regeln mitwirken.
Blicke ich nach vorne, wird die Personalfrage in der Kaufhallen-Branche in endlicher Zeit ohnehin der Geschichte angehören. Die Selbstscanner-Kassen sind nur der Anfang dieser Welle. Bei Decathlon tauchen die Kassierer nur noch den Korb in eine Aussparung – und können nur nach zwei Sekunden den Gesamtpreis nennen.
Blicke ich aber in die Gegenwart, so befinde ich mich gefühlt im Mittelalter. Das hat Isabel Wiest von den Neuen Liberalen in ihrem Beitrag sehr schön beschrieben. Wenn Volksfeste stattfinden, können nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. 11. 2015 (BVerwG 8 CN 2. 14) unter ganz bestimmten Bedingungen und Auflagen Läden öffnen.
Was für ein Irrsinn bahnt sich da nun an? Besucherprognosen sollen also darlegen, dass das Event (Wikingerfest, Stadtteilmarathon oder whatever…) mehr Besucher anzieht, als die bösen, bösen geöffneten drei Lädchen in der ansonsten down tradenden, mit Billigketten, Pfandleihern und Second Hand Läden gepflasterten Fußgängerzone, die Amazon tapfer trotzen. [..] Wie man das mit den Prognosen konkret anstellen soll, ohne irgendwem die Hucke voll zu lügen, das steht allerdings nirgends.
Von daher: Weg damit!
Bisherige Kommentare (3)
Kommentar von Christian
So ein M***. Und ich hatte gehofft, dass auf der Website exakt ein Jahr lang nichts veröffentlicht wird.
Kommentar von Christian
Ein anderer aber ähnlich radikaler Ansatz wäre den Samstag und den Sonntag zu tauschen. Nach einer anstrengenden Mo-Fr-Woche ruhe ich gerne den unmittelbar nächsten Tag aus. Da gehe ich selten einkaufen. Am Sonntag wiederum bin ich erholt. Mir fallen dann Dinge ein, die ich hätte schon am Samstag im Baumarkt kaufen müssen, damit ich mich am Sonntag nicht langweile. Wenn in Deutschland der Samstag der Ruhetag wäre und der Sonntag ein normaler Einkaufstag – ich würde das befürworten. Gerne auch auf Probe für ein Jahr.
Im Übrigen wurde mein vorheriger Kommentar nicht zum Thema „Ladenschlussgesetz komplett abschaffen” geschrieben, sondern ganz allgemein zur Aktualität der Internetseite „http://renephoenix.de”.
Kommentar von René
Auch das ist eine legitime Präferenz: Lieber Samstag ruhen. Wozu das aber vorgeben? Ladenschluss abschaffen.
In Frankreich gibt es viele kleinere Läden, die Montags gar nicht öffnen. Obwohl sie könnten.
Kommentar verfassen
Bisherige Trackbacks (0)
Es wurde noch kein Trackback empfangen!