Elektronische Pressespiegel
oder: Das fehlende Recht des Berichteten
Wenn Unternehmen, Vereine oder gar Einzelpersonen einen Pressespiegel im Internet bereitstellen wollen, so ist das schier ein Ding der Unmöglichkeit, ohne mit einem Fuß im (Urheber-)Knast zu sitzen.
Gesetzliche Lage
Zunächst sieht das Urheberrecht Pressespiegel in §49 UrhG vor:
(1) Zulässig ist die Vervielfältigung und Verbreitung einzelner Rundfunkkommentare und einzelner Artikel sowie mit ihnen im Zusammenhang veröffentlichter Abbildungen aus Zeitungen und anderen lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern in anderen Zeitungen und Informationsblättern dieser Art sowie die öffentliche Wiedergabe solcher Kommentare, Artikel und Abbildungen, wenn sie politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen betreffen und nicht mit einem Vorbehalt der Rechte versehen sind. Für die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe ist dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen, es sei denn, daß es sich um eine Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe kurzer Auszüge aus mehreren Kommentaren oder Artikeln in Form einer Übersicht handelt. Der Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden.
(2) Unbeschränkt zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von vermischten Nachrichten tatsächlichen Inhalts und von Tagesneuigkeiten, die durch Presse oder Funk veröffentlicht worden sind; ein durch andere gesetzliche Vorschriften gewährter Schutz bleibt unberührt.
Der Paragraf liest sich verworren, keine Frage. Es besteht also ein Rechtsanspruch, Texte mit tagesaktuellen Bezug in einem Pressespiegel zusammenzufassen. Der Urheber kann das nicht verhindern, es sei denn, ja, er behält sich diese Rechte vor (wobei mir nicht klar ist, wann dieser Passus greift). Es wird von einer „angemessene Vergütung” gesprochen, also ist dieses Recht nicht frei. Die Wiedergabe kurzer Auszüge ist dagegen auch ohne Vergütung möglich.
Der zweite Absatz bezieht sich auf Wiedergaben von bspw. Polizeitickern, auch wenn hier die Grenzen nicht klar und eindeutig sind.
Urteile
Ein handwerklich guter Paragraf ist so klar und eindeutig, dass sich Gerichte keine Gedanken machen müssen. Mit diesem mussten sich schon intensiv die Gerichte befassen – mit teils skurrilen Ergebnissen.
Das Oberlandesgericht München liest 1999 daraus, dass Wochenzeitschriften wie der Spiegel nicht unter diesen Passus fallen, da Wochenzeitungen scheinbar nicht dem Tagesinteresse dienen (OLG München, 23.12.1999 – 29 U 4142/99). Das ist dahingehend schon realitätsfern, da in Bezug auf Lokalpolitik es teilweise nur Wochenzeitung oder gar Monatszeitungen gibt, die das Tagesinteresse wiedergeben.
Das Oberlandesgericht Hamburg kam 2000 auf die Idee, dass elektronische Pressespiegel nach diesem Gesetz gar nicht möglich ist, weil „das Verständnis der Norm sich an den technischen Gegebenheiten der Information und Zielsetzungen des Gesetzgebers im Zeitpunkt der Einführung des Privilegierungstatbestandes zu orientieren hat (06.04.2000 – 3 U 211/99). Mit dieser Logik müssen wir uns freuen, dass die Erfindung des Buchdruckes noch vor jener gesetzlichen Regelung lag, sonst hätten Pressespiegel handschriftlich erfolgen müssen!
Das Landgericht Berlin kam 2002 auf die Idee, in dem Paragrafen die Zulässigkeit des Versandes per Telefax anzuerkennen, nicht aber per E-Mail (LG Berlin, 26.03.2002 – 16 O 367/01).
Diese Urteile zeigen das mangelnde technische Verständnis von Richtern um die Jahrtausendwende. Sie zeigen aber auch eine gewisse Regelungslücke, die der Bundesgerichtshof mittels Richterrecht schließen wollte (BGH, 11.07.2002 – I ZR 255/00):
Die Privilegierung des § 49 Abs. 1 UrhG umfaßt herkömmliche Pressespiegel jedenfalls insoweit, als sie nur betriebs- oder behördenintern verbreitet werden.
Hier dichteten die Richter dem Gesetz etwas hinzu.
(Ein herkömmlicher Pressespiegel hätte auch in öffentlich zugänglichen Schaukästen erfolgen können)
Auch Pressespiegel, die elektronisch übermittelt werden, jedoch nach Funktion und Nutzungspotential noch im wesentlichen dem herkömmlichen Pressespiegel entsprechen, fallen unter § 49 Abs. 1 UrhG. Dies setzt voraus, daß der elektronisch übermittelte Pressespiegel nur betriebs- oder behördenintern und nur in einer Form zugänglich gemacht wird, die sich im Falle der Speicherung nicht zu einer Volltextrecherche eignet.
Mit anderen Worten: Per E-Mail geht wirklich nicht! So ein handelsübliches E-Mail-Programm verfügt über Volltextrecherchen. Und auch jedes Content Management System verfügt über eine solche Funktion. Allenfalls denkbar als Pixelgrafik.
Das Ergebnis zwischen Gesetz und Richterrecht wird hier dargestellt
VG Wort und PMG
Zur Geltendmachung der Ansprüche klopfen nun VG Wort (bei herkömmlichen Pressespiegeln) und die PMG Presse-Monitor GmbH (bei modernen Pressespiegeln) an die Tür. Die aktuellen Tarife. Man kann sich fragen, ob diese angemessen sind…
Politische Positionen
Die Piraten haben in ihrem 84-Punkte-Plan zur Verbesserung des Urheberrechts auch diesen Paragrafen auf dem Schirm, treffen aber hier leider nicht die Problematik:
Neben Kommentaren, Artikeln und Abbildungen, die sich mit politischen, wirtschaftlichen und religiösen Tagesfragen befassen, sollten ebenfalls auch kulturelle Themen ungehindert auszugsweise weiterverwendet werden dürfen. Selbstverständlich sollte die Weiterverwendung auch im Internet erlaubt sein, wenn auch hier die Verbreitung über die anderen Medien ohnehin legal erfolgt.
Der Bundesverband Deutscher Pressesprecher nimmt Position zum elektronischen Pressespiegel und hat den Finger auf den richtigen Stellen:
- Gesetzliche Regelung des elektronischen Pressespiegels
- Neudefinition des Begriffs der Tagesaktualität
- Möglichkeit zur Erstellung und Archivierung elektronischer Pressespiegel und zur kostenfreien Verwendung innerhalb des Corporate Networks
- Volltextsuche, Meta-Markierungen
Meine Gedanken
Unabhängig eines kostenpflichtigen Rechtes zur Anlage beliebiger Pressespiegel zu beliebigen Themen auch im digitalen Zeitalter und der Loslösung des Begriffs der Tagesaktualität, sollte es einen unentgeltlichen Rechtsanspruch zur Verbreitung von Berichten für die Berichteten geben. Also das der, über den berichtet wird, den Text auch verbreiten darf.
(Gedanklich lösen von Zeitung. Betrifft auch Radio und Fernsehen oder Online-Artikel)
Beispiel: Eine Zeitung berichtet über den Abgasskandal von VW, also erhält VW dadurch das Recht, diesen Artikel im Rahmen von Pressespiegel online und offline unentgeltlich zu verbreiten. Bei einem Artikel über deutsche Automobilbauer (in denen VW nicht explizit genannt wird), wäre es dagegen nur kostenpflichtig möglich.
Als ich im letzen Jahr von der Berliner Zeitung zur Zweitwohnungsteuer interviewt wurde, fragte ich explizit um Erlaubnis zur eigenen Veröffentlichung. Als ich vor einigen Jahren von n-tv interview wurde, durfte ich das schlicht nicht. So etwas will ich nicht im Einzelfall aushandeln müssen.
Kurzum: Ich will ein Nutzungsrecht für den Berichteten!
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