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Hamburger Seilbahn

Am 24.08. wird nicht nur in Treptow-Köpenick über die gebührenpflichtige Parkraumbewirtschaftung abgestimmt, sondern auch in Hamburg-Mitte über eine Seilbahn über die Elbe.

Hier möchte der Betreiber von Musicals (Stage Entertainment) eine Seilbahn über die Elbe errichten. Über das inhaltliche Pro&Contra möchte ich gar nicht so sehr drauf eingehen (siehe unten), sondern meinen Fokus vor allem auf den Vorwurf eines gekauften Bürgerentscheids legen.

Die Initiative Keine Seilbahn befürchtet:

Wenn dieses Begehren erfolgreich ist, könnten überall im Bezirk Konzernbegehren unter Umgehung der Politik und gegen die Interessen der Betroffenen durchgesetzt werden.

2l;dr: Je länger ich über diesen Vorwurf nachdenke, um so absurder wird er. Im Normalfall wird der Bürger über den Umweg der Politik umgangen. Nun hat der Bürger mittels seiner direkten Stimme das letzte Wort. Wie kann das gegen seine Interessen gehen?

Lobbyismus ist an sich nicht neu. Irgendein Unternehmer möchte gerne etwas bauen und erhofft sich davon natürlich Gewinne. Nun wird fleißig Hochglanzpapier an die zuständigen Politiker verschickt. Da das wohl bei der nun zuständigen Bezirkspolitik von Hamburg-Mitte nicht geklappt hat, geht es in die zweite Instanz – und die Zielgruppe sind nun die wahlberechtigten Bürger. Die sogenannte „Hinterzimmerpolitik” wandert ins Abstimmungslokal. Der Bürger hat das letzte Wort.

(Anmerkung: es wäre zweifelsohne schöner gewesen, wenn die Seilbahn-Initiatoren die Wahlberechtigten nicht nur als Plan B sehen.)

Nun wird bemängelt, dass der Investor Geld für die Sammlung der benötigten Unterschriften in die Hand nimmt. Natürlich sind für Firmen, die zweistellige Millionenbeträge investieren wollen, vier- oder fünfstellige Beträge zum Sammeln der nötigen Unterschriften ein Griff in die Portokasse. Die Hamburger Piraten beziffern dies mit 7.000 Euro. Aber egal, wie viele Leute bezahlt oder unbezahlt Unterschriften sammeln: der einzelne Bürger trifft die Entscheidung, ob eine Unterschrift abgegeben wird oder nicht. (Man kann natürlich auch an die Bürger appellieren, sich vor Abgabe einer Unterschrift sich mit dem Thema auseinanderzusetzen).

Die Piraten im Hamburg monieren, dass vor allem in Stadtteilen weit ab des Vorhabens gesammelt worden ist. Dieses Argument greift nicht, denn es gibt keine Vorgaben, wo Unterschriften zu sammeln sind. Sie müssen noch nicht einmal in Hamburg sammeln – nur die Chance auf Wahlberechtigte zu treffen, fällt außerhalb Hamburgs wohl genauso gering aus wie in St. Pauli. Für die Gültigkeit einer Unterschrift ist der Hauptwohnsitz entscheidend. Hamburg-Mitte hat das Problem, dass es sich bis zur östlichen Stadtgrenze erstreckt (Neuwerk klammer ich mal aus). Dies ist ein grundsätzliches Problem des Zusammenschnitts dieses Bezirks und betrifft jeden Bürgerentscheid (siehe §32 Abs. 3 BezVG)

Die Initiative „Keine Seilbahn” bemängelt, dass der Investor keinen stadtweiten Volksentscheid initiiert hat, sondern nur einen Bürgerentscheid in Mitte. Das ist grundsätzlich richtig. Auch wenn der Senat des Thema an den Bezirk delegierte, hätte man ihn auffordern können, es wieder an sich zu nehmen. Ihm nun aber vorzuwerfen, er würde das ausnutzen, „dass nun vor allem Menschen in Stadtteilen abstimmen können, die nicht unmittelbar betroffen sind”, ist völlig absurd. Denn dann würden nicht nur die Billstedter abstimmen können, sondern auch noch die Bergedorfer, Volskdorfer und Ohlstedter.

Ein absolutes No-Go ist allerdings, wenn die Abgabe der Unterschrift mit irgendeiner (geldwerten) Leistung verbunden ist. Die Abgabe der Unterschrift muss frei erfolgen. So bestand der Vorwurf, dass Seilbahn-Freikarten gegen Unterschrift verteilt worden sind. Die Seilbahn-PR erklärt, dass die Karten unabhängig von einer Unterschrift erfolgt sei. Ob das in jedem Fall so eingehalten wurde? Sollten die Sammler nach Anzahl der eingesammelten Unterschriften bezahlt werden, gibt es Anreize, die ein Unternehmen gar nicht mehr steuern kann. Es wäre also klug, auf solche Maßnahmen gänzlich zu verzichten.

Wenn ich zur Glaskugel greife, sehe ich durchaus weitere Bürgerentscheide dieser Art auf uns zukommen. Dem stehe ich optimistisch entgegen. (Und ja, die Durchführung eines Bürgerentscheides kostet halt.)

Zur inhaltlichen Debatte noch einige Gedanken:

  • Man muss die Seilbahn natürlich als das betrachten, was es ist: Ein Musical-Zubringer und eine Touristenattraktion. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist kein öffentliches Verkehrsmittel. Es verbindet Innenstadt mit gefühlt Nirgendwo – unweit vom und parallel zum bereits bestehenden alten Elbtunnel. Die Touris werden es lieben, den Hafen von oben sich anzuschauen!
  • Ein Pluspunkt des Vorhabens ist, dass diese Entscheidung reversibel ist – nach 10 Jahren. Der Eiffelturm hatte damals 20 Jahre gehabt.
  • Die Gegner des Vorhaben bemängeln, dass im Falle einer Insolvanz (eines speziell für den Seilbetrieb gegründeten Tochterunternehmens) die Stadt auf den Abrisskosten sitzen bleibt. Gutes und ernstzunehmendes Argument! Dieses Problem lässt sich aber lösen, bspw. durch eine Sicherheitsleistung in Höhe der zu erwartenden Abrisskosten.
  • Der Stern bemängelt, dass das Unternehmen seine Wirtschaftlichkeitsrechnung nicht offen legt und führt auf eigene Faust eine Milchmädchenrechnung über die Rentatbilität des Vorhabens durch. Dabei werden die Betriebskosten übergesehen. Davon abgesehen sollte es absolut keine Rolle spielen, ob und welche Gewinne der Konzern einfährt – das politische Ziel war doch, dass es der öffentlichen Hand nichts kostet. Damit obliegt das geschäftliche Risiko und auch die finanzielle Chance einzig beim Betreiber.
  • Die Gegner befürchten, dass die anstehenden planrechtlichen Verfahren und Prüfungen der Stadtkasse zur Last fallen. Dafür gibt es sogenannte vorhabensbezogene Bebauungspläne im Zusammenhang mit städtebaulichen Verträgen, so dass der Investor diese Kosten übernehmen kann.
  • Die Gegner bemängeln, dass die nördliche Seilbahnstation am Eingang von Planten un Blomen beim Millerntor den Park beeinträchtigt. Ok. Aber wo sind die konstruktiven Vorschläge? Wo wäre es weniger schlimm? Spontan denke ich an das Festivalgelände (Dom) direkt nördlich des U-Bahnhofes St. Pauli. Da die Seilbahn auch als Fahrgeschäft eingestuft werden kann sogar sehr passend! (Laut Sicht des Betreibers wird der Park nicht beeinträchtigt, sondern Teile der bereits bestehenden Alten Feuerwehrwache)

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