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Reiss-Engelhorn-Museen vs. Wikimedia Foundation

Ein altes Sprichwort sagt: „Recht haben und Recht bekommen sind zwei Paar Schuhe”. Ich ergänze diesen Spruch um einen ähnlichen: Recht haben und Recht durchsetzen auch!

Es geht um den Rechtsstreit zwischen den Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim und der Wikimedia Foundation.

Für eine Publikation ließ die Museen einige Gemälde, darunter die Abbildung „Porträt Richard Wagner”, professionell digitalisieren. Das Museum stellt den Aufwand in einer Pressemeldung wie folgt dar (Seite 8)

Das Gemälde muss aus dem Depot oder aus der Ausstellung geholt werden, weil eine professionelle Aufnahme im Depot oder in der Ausstellung aufgrund der dortigen Lichtverhältnisse nahezu nicht möglich ist. [..] Das Gemälde braucht einen neutralen Hintergrund, dafür werden Papierrollen als Hintergrund benutzt. Im Fotoatelier arbeitet der Museums-Fotograf mit Tageslichtlampen und leuchtet ein Gemälde so aus, dass kein Schatten, keine Reflexionen (Spiegelungen) oder unerwünschte Streifenbildungen entstehen[..]. Zum Farbabgleich sind ein Farbkeil und ein Beleuchtungsmesser notwendig. Die Farbechtheit ist dabei immens wichtig. [..] Das Licht muss so gesetzt sein, dass in allen vier Ecken des Gemäldes die Lichtsetzung und Farbechtheit übereinstimmt.[..] Darüber hinaus muss je nach Beschaffenheit der Oberfläche des Gemäldes das Licht so angepasst werden, dass die Pinselstrukturen sichtbar sind, aber nicht zu deutlich die Abbildung beeinflussen. Auch auf die dunklen Bereiche eines Gemäldes muss geachtet werden, damit diese nicht untergehen und als ein einziger dunkler Fleck, sondern auch die Zeichnung bzw. Merkmale in diesen Bereichen wahrgenommen werden können. Wenn die Lichtsetzung hinsichtlich dieser Vorgaben nicht funktioniert, muss gegebenenfalls das Gemälde von den Restauratoren gedreht werden.

Und diese Erzeugnisse wurden in die Wikipedia eingestellt – und als gemeinfrei („Pulic Domain”) erklärt.

(Entgegen falscher oder aus den Zusammenhang gerissener Berichte: Es geht nicht darum, dass eine Person im Museum vor Ort Fotos angefertigt hat. Dann wäre es allenfalls eine Streitfrage des Hausrechts, da das Museum leider das Fotografieren untersagt)

Unstrittig ist, dass die eigentlichen Gemälde gemeinfrei sind. Die Urheber sind schon lange genug tot. Unstrittig ist auch, dass diese Bilder keine Werke im Sinne des Urheberrechts sind. Sie sind angewandtes Handwerk. Die oben geschilderte Abfolge lässt keine künstlerische Freiheit zu. Und doch gibt es einen Paragrafen im Urheberrechtsgesetz, der hier Anwendung finden wird: §72 UrhG

Lichtbilder

(1) Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.

(2) Das Recht nach Absatz 1 steht dem Lichtbildner zu.

(3) Das Recht nach Absatz 1 erlischt fünfzig Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits fünfzig Jahre nach der Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen.

In den letzten Jahren wurde dieser Paragraf häufig im Zusammenhang mit Produktfotos auf eBay herangezogen. Das waren häufig auch Lichtbilder, die keine Werke sind. Und so ist auch in diesem Falle das Eis für die Wikimedia sehr dünn. Ggf. wird es im Prozess noch um die Frage der Störerhaftung gehen.

Trotzdem ist es nicht verkehrt, diese Streitfrage einmal vor den Gerichten auszufechten. Denn mit einem handfesten Urteil hat man bessere Gründe in der Hand, Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen. Und die ist bitter nötig, denn dieser Paragraf ist abzuschaffen!

Ich habe bei der Suche nur eine konkrete Forderung der Piraten dazu gefunden, der ich mich anschließe:

Der Zweck des Urheberrechts sollte es sein, den Urheber von Werken mit einer gewissen Schöpfungshöhe zu schützen, und nicht jeder unbedeutenden Fotografie ein eigenes Leistungsschutzrecht zuzusprechen. Da jedoch die Schutzanforderungen für urheberrechtlich geschützte Werke sehr niedrig angesetzt werden, gelten fast alle Fotografien als geschützte Lichtbildwerke. Für einfache Lichtbilder verbleiben im Grunde nur technische Aufnahmen, die keinerlei persönliche Prägung aufweisen, wie etwa kartografische Luftaufnahmen oder Passbilder aus Automaten. Dieses Leistungsschutzrecht schützt somit sowieso nur eine technische Leistung, und keine urheberrechtliche Schöpfungsleistung und sollte daher entfallen.

(Positionen anderer Parteien zu diesem Paragrafen konnte ich nicht finden. Wer hat, der füge es als Kommentar an)

Denn was bedeutet Lichtbild? Das Gesetz geht hier nicht näher drauf ein. Im Zweifel ist jeder Scan ein Lichtbild. Auch jede Kopie am Kopierer. Mittels Licht wird etwas abgebildet. Das Gesetz nimmt keinen Bezug zum Aufwand.

(Noch obskurer wird es, wenn dieser Paragraf an einem (Verkehrs-)Blitzer angewendet wird. Denn der Fahrer löst durch Fehlverhalten das Lichtbild aus und ist nach §72 Abs. 2 der Lichtbildner und könnte für die Vervielfältigung des Lichtbildes im Rahmen des Bußgeldbescheides eine Lizenzgebühr verlangen)

Aber jenseits der rechtliche Frage um die Lichtbilder steckt in dieser Streitfrage auch eine politische Frage hinsichtlich Werken/Lichtbildern, die mit öffentlichen Geldern finanziert wurden. Wir sollten in Deutschland endlich einen Passus ins Urheberrecht aufnehmen, dass alles, was der Staat (mit)finanziert, als gemeinfrei eingestuft wird. Nach Amerikanischen Vorbild. Die „Amtlichen Werke” sind um die öffentlich (mit)finanzierten Werke zu ergänzen.

Und bis wir dieses Urheberrecht haben, ist es meine Erwartung, dass zumindest die öffentlichen Einrichtungen daran mitwirken, ihre Werke und Bilder der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Ein positives Beispiel dieser Tage ist das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Die REM argumentieren dagegen wie folgt:

Allerdings wollen wir, insbesondere was gewerbliche oder kommerzielle Nutzungen angeht, ein Mitspracherecht haben, ob und zu welchen Konditionen unsere Arbeitsergebnisse verwendet werden. [..] In der Folge kam es zu umfangreichen gewerblichen Nachnutzungen von beispielsweise Bildagenturen, die das Foto von Wikimedia Commons bezogen haben und es über ihre Plattformen verkauft haben. [..] Die am 01.11.2015 in Kraft getretene Gebührenordnung unterscheidet bei Internetnutzungen nicht-kommerzielle, redaktionelle und werbliche Zwecke. Für eine zeitlich unbegrenzte Nutzung einer Fotografie im Internet bei nicht-kostenpflichtigen, redaktionellen Internetseiten fallen demnach max. 250,00 EUR an.

Mit dieser Formulierung macht das Museum einerseits deutlich, dass es sich eben nicht nur an gewerbliche Nutzer richtet. Und selbst wenn: Es dabei wird übersehen, dass auch die Firmen mit ihren werblichen Zwecke zum Steueraufkommen beitragen, mit dem letztendlich auch diese und andere Museen mitfinanziert werden. Und auch die zu Recht bemängelten „immer knapper werdender Kulturetats” sollten meiner Meinung nach eher gegenüber der Stadt als gegenüber den Nutzern eingebracht werden.

Und von daher gilt: Recht haben und Recht durchsetzen sind zwei Paar Schuhe!

Bisherige Kommentare (4)

Kommentar von René

Diese Vorgehensweise produziert zumindest keine Gewinner. Im besten Fall ist das Ergebnis für das Museum neutral.

Und das Urteil aus Nürnberg ist zugegebenermaßen fragwürdig. Ob es eine weitere Instanz ausgehalten hätte – ich bezweifle!

Schon der erste Satz:

Im Endeffekt werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit nach Ablauf der Schutzfrist von 70 Jahren umgangen.

Das ist falsch. Das Original ist und bleibt durch die Anfertigung der Digitalkopie gemeinfrei. Es wird mit dem Fotografierverbot im Museum umgangen!

Wenn ein Museum keine Digitalkopien anfertigt, müsste man denen die selben Vorwürfe machen.

Das es politisch das falsche Signal ist, keine Frage. Dass der Paragraf aus dem Urheberrecht zu entfernen (oder zumindest stark einzuschränken ist) ist, auch keine Frage. Dass dieses Vorgehen auch fragwürdige Zustände nach sich zieht (wann weiß ich, wann eine Kopie 50 Jahre alt ist nicht zwischenzeitlich wieder erneut kopiert wurde?), ist leider auch so.

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