Die Sache mit den Ferienwohnungen
In der aktuellen Hamburger Obdachlosenzeitung Hinz&Kunzt ist ein Artikel zu Ferienwohnungen
Der große Aufreger ist die Zahl 12706. In der Printversion wird diese besonders hervorgehoben. Das ist die Zahl der angemeldeten Ferienwohnungen mittels Wohnraum-Schutznummer. Der Artikel referenziert auf diverse Anfragen der Linken (u.a. in Eimsbüttel), die Anstiege und Sprünge vermeldeten.
Wir sollten uns zunächst erst einmal besinnen, was das Ziel des ganzen ist: solange der Mietmarkt angespannt ist, sollen Wohnungen Wohnungen bleiben. Und nicht umgewandelt werden in Beheberungstätten (“Ferienwohnung”), Arztpraxen oder Büroflächen. Das sollte eine konsente Forderung sein. Zumindest teile ich sie. Und sie wäre auch im Sinne einer Obdachlosenzeitung. Und vermutlich dürfte das auch im Sinne der Linken und einiger anderer Parteien sein.
Drehen wir mal die Uhr zurück ins Jahr 2013. In der schöneren Metropole, Berlin, nahmen die Ferienwohnungen in einigen Ortsteilen wie Prenzlauer Berg und Kreuzberg schon fast exponentiell zu. Ehe man als Vermieter den nächsten Mietvertrag unterschreibt und damit Dauermieter in die Wohnung lässt, ist es viel lukrativer, für ein vielfaches da Touristen reinzunehmen. Und wenn das im großen Stile passiert, spürt man das im Wohnungsmarkt. Also hat die damalige SPD-CDU-Regierung das Zweckentfremdungsverbotsgesetz (bzw. die dazugehörige Zweckentfremdungsverbotsverordnung) erlassen. Und so ähnliche Tendenzen gab es auch in anderen Städten.
Allerdings schossen sie über das Ziel hinaus. Und zwar deutlich. Denn nun war jegliche kurzzeitige Vermietung verboten, die außerhalb von Hotels und bzw. offiziellen Übernachtungsstätten passierten. Und nun fragen sich zurecht einige Bewohner: warum kann ich meine Wohnung im Urlaub nicht untervermieten (oder das WG-Zimmer in den Semesterferien) – denn damit nehme ich doch keine Wohnung dem Wohnungsmarkt weg. Im Gegenteil: die Wohnung wird dann auch genutzt, wenn ich nicht da bin. Und man muss keine Glaskugel haben, um zu ahnen, was dann passiert ist: ein Gericht folgte genau dieser Argumentation.
Und haltet mich für konservativ: jede politische Einflussnahme soll auf einen konkreten Zweck einzahlen. Und wir sollten noch einmal inne halten, was der Zweck ist: es sollen keine Wohnungen dem Wohnungsmarkt verloren gehen.
Also begann man zu differenzieren. Und das ist schwierig. Wo legt man eine Grenze? Und hier haben verschiedene Städte unterschiedliche Regelungen getroffen. Hamburg hat sie so getroffen, dass maximal 50% der Wohnfläche – oder maximal 2 Monate (im Jahr) in die sogenannte “Kurzzeitmiete” gehen kann. In NRW sind die Regeln ähnlich, wer dort aber Student ist, darf auch sechs Monate kurzzeitvermieten. Nimmt man das in Anspruch, so muss man eine Wohnraumschutznummer beantragen und der Behörde einen Belegungskalender hinterlegen, mit dem man eben nachweisen soll, dass man sich an diese Grenzen eben hält (Die Wohnraumschutznummer ist eine genehmigungsfreie Leistung: man zeigt sie an – und darf entsprechend agieren).
Und nun kommen wir zurück zur Zahl 12706. Ich finde keine andere Quelle, die diese Zahl belegt. Auch bei den Linken gibt es keine Presseerklärung. Aber es werden ja einige Zahlen aus den Bezirken veröffentlicht, u.a. auch zu Nord. Da sollen es 2891 sein. Nun gab es im Januar eine Anfrage der Linken – demnach wurden insgesamt seit 2019 3003 Wohnraumschutznummern beantragt, davon waren vor ein paar Monaten aber nur noch 350 aktiv. Wie auch immer man nun diese Zahlen rechnet: diese gemeldeten “Ferienwohnungen” sind und bleiben zunächst die “guten” Ferienwohnungen. Also Ferienwohnungen, die man ehrlicherweise so auch nicht nennen sollte (Welcher Student nennt sein WG-Zimmer Ferienwohnung, wenn er das zwei Monate untervermietet?). Und ob dieser dramatisch wirkende Anstieg nun wirklich ein Anstieg in der Realität ist – oder einer im Bewusstsein, dass man diese Nummer auch beantragen muss… man weiß es nicht!
Nun gibt es noch Wohnungen, für die es eine erteilte Zweckentfremdungsgenehmigung gibt. Also wo der Bezirk konkret eine Überschreitung der Spielregeln erlaubt. Nach der Anfrage in Eimsbüttel gab es dort bisher zwei Fälle.
Und es gibt auch gewerblich betriebene Wohnungen mit Wohnraumschutznummer in geringem Umfang. Das kommt vor allem dann zum Tragen, wenn offizielle Beherberungstätten auch auf Portalen wie airbnb einstellen.
Das eigentliche Kernproblem ist doch ein ganz anderes: die unbekannten Ferienwohnungen. Die schwarzen Schafe. Die, die sich nicht an die Spielregeln halten. Die, die wirklich Wohnraum zweckentfremden. Und die unzureichende Kontrolle. Die chronische Unterbesetzung der Bezirksämter für diese Aufgabe. Und das wird im Artikel zwar auch erwähnt, geht aber in der Nebelkerze der 12706 Ferienwohnungen völlig unter.
Laut Anfrage der Linken in Eimsbüttel sind Bezirksamt Eimsbüttel für das gesamte Thema Wohnraumschutz 5 Vollzeitäquivalenten (also 5 Personen in Vollzeit) vorgesehen und nun auch voll besetzt. 5 Personen, die Leerstand prüfen, unerlaubte Ferienwohnungen aufspüren, Anträge auf Wohnraumschutznummern genehmigen und sicherlich auch einige Vor-Ort-Begehungen machen etc. Für einen Bezirk mit ~270.000 Einwohnern wirkt das alles nicht viel. Und in den anderen Bezirken sieht das nicht viel besser aus.
Und nun soll, nach Auffassung der Linken, dieses chronisch unterbesetzte Bezirksamt noch Statistik-Quatsch für die “guten” Ferienwohnungen machen, so ein (abgelehnter) Antrag von März 2025 in Nord:
Die Bezirksamtsleitung wird dazu aufgefordert: 2. die für Ferienwohnungen vergebenen Wohnraumschutznummern ab sofort im Bezirk Hamburg-Nord statistisch mit folgenden Daten zu erheben: Stadtteil, Straße, wird die ganze Wohneinheit oder nur Teile davon als Ferienunterkunft genutzt, bietet der oder die Vermieter*in mehr als eine Ferienunterkunft an und wenn ja: wie viele, ist die Wohnraumschutznummer noch aktiv und wenn ja: seit wann
(Es mag sein, dass diese Daten auch auf Knopfdruck sich erzeugen lassen – aber was nützt es?)
Mikey Kleinert von den Linken in Eimsbüttel schreibt in einer Pressemeldung (so auch im Artikel bei Hinz&Kunzt)
Wir brauchen dringend eine gesetzliche Nachschärfung, die Wohnraum als Ferienwohnung unattraktiv macht.
Ich finde es immer wieder schön, gesetzliche Nachschärfungen zu fordern, ohne irgendwie konkret zu werden, was verschärft werden soll (und das wird dann unkritisch abgeschrieben). Und ja, man kann die zwei Monate verkürzen. Oder auch die 50%. Aber wir haben doch kein Regelungsproblem, wir haben ein Vollzugsproblem.
Kurzum: Wenn wir das als Hamburg mit dem Wohnraumschutz ernst nehmen wollen, so müssen zwangsweise Kontrollen intensiviert werden. Andernfalls benachteiligt man nur die Menschen, die sich an die Regeln halten.
bytheway: Bisher hielt ich diese Zahlenschlösser, die man an Metallstreben befestigt für ein Indiz von Ferienwohnungen – allerdings wird das auch gerne von Bauarbeitern genutzt.
Bisherige Kommentare (2)
Kommentar von René
Auch aus der PM der Linken:
Seit der ersten kleinen Anfrage zum Thema Ferienwohnungen im Jahr 2019 sind in Eimsbüttel fast 1.500 neue Ferienwohnungen hinzugekommen – ein Zuwachs von 128,81 Prozent!
Typisches Beispiel für statischen Bullshit. Die Registrierungspflicht wurde in Hamburg erst am 01.04.2019 eingeführt, die erste Anfrage basiert auf Mitte November 2019. Das sind also Daten von 7,5 Monaten. Allein das hochpoliert auf 12 Monate würde einen Anstieg von 60% rechtfertigen.
Hand aufs Herz: Hätte ich dieses Verhältnis Jahr 1 zu Jahr 7 schätzen sollen, ich hätte +300% geraten.
Kommentar von René
Die Linke in Eimsbüttel hat die Idee des Wohnraumschutzes nicht wirklich verstanden – wie dieser Antrag beweist:
Viele Anbieter rufen inzwischen Mondpreise für ihre möblierten Apartments auf. 4000,- € für 40 Quadratmeter über einen Monat sind keine Seltenheit. Am Ende werden sie vermutlich kaum komplett vermietet, da niemand bereit ist 4000,- € für eine solche Wohnung zu zahlen, während man damit in den teuersten Hotels Hamburgs einkehren kann.
Wenn ein Anbieter eine möblierte Wohnung für Mondpreise anbietet – und irgendjemand bereit ist, diese Mondpreise zu bezahlen und dort einzieht, dann hat offensichtlich eine Person dort ihr Zuhause gefunden. Und dann ist das – aus Sicht des Wohnraumschutzes – nicht zu beanstanden. Klar, kann man das doof finden. Und man kann sich fragen, was mit Menschen nicht stimmt, die sich darauf einlassen. Es könnte Wucher etc. sein.
Wenn aber niemand sich drauf einlässt, dann steht die Wohnung leer. Dann liegt – ab einer gewissen Zeit – eine Zweckentfremdung vor, weil die Wohnung keiner Wohnnutzung zugeführt wurde.
Wenn man nun Touristen im Wochentakt durch die Wohnung schleift, dann liegt auch eine Zweckentfremdung vor, weil dann ebenso keine Wohnnutzung vorliegt, sondern eine gewerbliche Nutzung.
Die Grenze zwischen Touri und Wohnen ist allerdings fließend. Und man kann es wohl auch nicht so trennscharf sehen. Nehmen wir allein das Duale Studium, wo Studier- und Arbeitsort unterschiedlich sind – und man im Drei-Monats-Takt zwischen beiden wechselt.
(Siehe auch die Fachanweisung )
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